erfolgsgeschichten aus hessen

HESSISCHE ERFOLGS­GESCHICHTEN


In der Serie „Hessische Erfolgsgeschichten“ porträtiert die Sportstiftung Hessen erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler unseres Landes.

Fabian Hambüchen
sportart:
verein:
TSG Niedergirmes
Die Vollendung
Hinter der Teilnahme von Fabian Hambüchen an den Spielen in Rio de Janeiro 2016 stand lange Zeit ein Fragezeichen. Eine Schulterverletzung plagte den damals 28-jährigen Turner, der am Reck alles gewonnen hatte, nur eine Medaille fehlte in seiner Sammlung: Olympisches Gold! Bereits in Peking 2008 war der damals amtierende Welt- und Europameister als Favorit angetreten, doch es wurde „nur“ Bronze. Vier Jahre später, in London, gewann er Silber: Von einem Achillessehnenriss wieder genesen, war sein niederländischer Kontrahent Epke Zonderland einfach besser. Und dann das Märchen von Rio: „Niemand hat mehr an mich geglaubt“, sagt Hambüchen, der sich seiner selbst aber auch nicht mehr ganz sicher war. Doch mit Vater Wolfgang als Trainer und der ganzen Erfahrung, die die beiden gemeinsam in die Waagschale werfen konnten, wurde aus dem Traum doch noch Realität: „Manchmal denke ich, dass es vorbestimmt war. So fühlt es sich jedenfalls an.“
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Lucas Matzerath
sportart:
Schwimmen
verein:
Eine Wahnsinnsentwicklung
Es sind fraglos sehr talentierte und im Nachwuchsbereich auch erfolgreiche junge Athletinnen und Athleten, die die Sportstiftung Hessen in ihrem Perspektivteam versammelt. Aus diesem Kader heraus direkt den Sprung zu Olympischen Spielen zu schaffen, ist allerdings selten. Lucas Matzerath (21) hat es geschafft. Bei den German Trials in Berlin konnte er die Norm über 100m-Brust (59,80 Sek.) in 59,64 Sek. klar unterbieten. Der Student der Elektrotechnik, dessen bisher größter Erfolg in der Offenen Klasse der Gewinn einer Bronzemedaille über 50m-Brust bei der Kurzbahn-DM 2019 war, sagt selbst: „Ja, es stimmt, ich habe eine Wahnsinnsentwicklung gemacht.“ Doch wenn sich der Zwei-Meter-Mann von der SG Frankfurt den Verlauf seiner Bestzeiten wiederum genauer betrachtet, dann sei der Sprung zu Olympia gar nicht mehr so groß. Es habe nie eine Stagnation gegeben, und gemeinsam mit seinem Heimtrainer Mark Jayasundara habe sich auch immer wieder eine andere technische Komponente gefunden, die sich verbessern ließ. Deshalb sei der Übergang in die Offene Klasse auch so reibungslos verlaufen.Überhaupt spielt der Trainer in Lucas Matzeraths Entwicklung eine ganz große Rolle. Bereits 2016 war er ihm aus Nordrhein-Westfalen nach Frankfurt gefolgt. „Das war definitiv die richtige Entscheidung“, so Matzerath heute. In Yayasundara sieht er zwar keinen Freund, sondern eine Respektsperson, die aber gleichwohl fast zur Familie gehöre: „Ich habe vollstes Vertrauen und glaube fest an unsere Arbeit.“ Der gemeinsame Fahrplan bis zu den Spielen wird zunächst über die EM in in Budapest (17.-23 Mai) führen, wo Matzerath das Gefühl für eine internationale Meisterschaft bekommen will, um von dem Großereignis im Tokio nicht überwältigt zu werden. Danach geht es zu den „Finals 2021“ nach Berlin (3.-6.Juni), wo im Rahmen einer Multisportveranstaltung auch die Deutsche Meisterschaft im Beckenschwimmen ausgetragen wird. Vertrauen zurückgebenLucas Matzerath, der bis zum Abitur im Sportinternat am OSP Hessen in Frankfurt lebte und danach ins wenige Meter entfernte „Alte Wohnheim“ umgezogen ist, hat sämtliche Förderstrukturen des hessischen Sports durchlaufen. Neben der finanziellen Förderung durch die Sportstiftung Hessen, die er als eine „ganz große Erleichterung“ empfindet, weiß er auch zu schätzen, was all die Akteure im Hintergrund zu seinem aktuellen Erfolg beigetragen haben, darunter u.a. Shila Sheth, die hessische Landestrainerin. Dieses in ihn gesetzte Vertrauen möchte er gerne zurückgeben, was bedeutet, dass er sich komplett auf den Sport fokussiert. So setzt er mit dem Studium in diesem Semester aus, - außer einigen Online-Vorlesungen, an denen er teilnimmt, um neben all dem Sport noch ein Mindestmaß an geistiger Anregung zu haben. Was das Abenteuer Olympia angeht, so hat er sich vorgenommen, seine Bestleistung über 100m-Brust (59,64) weiter zu unterbieten. Sein größter Wunsch wäre esallerdings, das Halbfinale zu erreichen.
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Sarah Vogel
sportart:
Leichtathletik
verein:
Angst ist dumm
Seit die U-20 Europameisterin Ende Oktober die angesehene Auszeichnung als Juniorensportlerin des Jahres entgegengenommen hat, sind einige Wochen vergangen. Sarah Vogel (LG Seligenstadt) ist die Freude immer noch anzumerken, aber sie macht sich auch ihre Gedanken. „Die Sportwelt sieht mich jetzt mit anderen Augen. Da entsteht Druck, und ich muss einen Weg finden, es als Motivation zu verstehen“, sagt die 19 Jahre alte Studentin der Biochemie, die nun mit Olympiasiegern wie Michael Groß, Maria Höfl-Riesch oder Magdalena Neuner in einer Reihe steht – sie alle haben den seit 1978 existierenden Preis der Deutschen Sporthilfe ebenfalls schon erhalten. Da ist es kaum nachvollziehbar, dass Vogel, die ihre persönliche Bestleistung bei der EM in Tallinn (Estland) um 24 cm auf eine Höhe von 4,30m verbessern konnte, mit dem Hochleistungssport 2020 beinahe aufgehört hätte. Im Anschluss an eine Verletzung ging es plötzlich psychisch bergab, sie entwickelte eine Blockade beim Abspringen, aus der sie alleine nicht mehr herausfand. „Das was man am meisten liebt, kann am stärksten weh tun“, sagt sie aus heutiger Sicht, bzw. in der Rückschau dazu. Dank psychologischer Unterstützung hat sie mit ihrer Angst inzwischen einen besseren Umgang gefunden. Und es sind nicht nur Atemtechniken, die dabei geholfen haben, sondern auch die Erkenntnis: „Übertriebene Angst ist dumm.“Ein starkes Vater-Tochter-GespannSarah Vogel, zu deren bisher größten Erfolgen auch der Sieg beim European Youth Olympic Festival (EYOF) 2019 in Baku zählt, wird von ihrem Vater Michael trainiert. Diese familiäre Konstellation, die sich zweifellos nicht alle jungen Hochleistungssportler vorstellen können, funktioniert bei den Vogels sehr gut: „Wir können Sport und Privates voneinander trennen. Ich habe auch keine Tochtervorteile im Training“, betont die amtierende Deutsche U-20 Meisterin ganz ausdrücklich. In diesem Zusammenhang macht sie darauf aufmerksam, dass es in der Leichtathletik häufiger solche „Eltern-Kind-Gespanne“ gäbe und erinnert u.a. an den Zehnkämpfer Niklas Kaul (Mainz), der 2019 Weltmeister wurde. Auch er wird von seinen Eltern trainiert. Sarah Vogel, die auch wegen der extremen familiären Nähe im Sport so früh wie möglich aus ihrem Elternhaus im südhessischen Groß-Umstadt ausziehen wollte, ist vorläufig nun doch noch geblieben: „Meine Eltern nehmen mich als erwachsene Person. Sonst ginge das gar nicht.“ Das klingt in sich alles sehr stimmig, wobei die LG Seligenstadt als relativ kleiner Verein für eine Spitzenathletin auch gar nicht so schlecht sei: „Bei einem Großverein wäre ich eine von vielen. Hier in Seligenstadt stehen die Leute hinter mir. Das ist mir wichtiger als mehr Geld zu bekommen.“Und wie geht es im nächsten Jahr weiter? Nach einer Operation am Ellenbogen möchte das Mitglied des Perspektivteams der Sportstiftung Hessen erst einmal zu 100 Prozent fit werden und sich dann für die Heim-EM in München qualifizieren. Dabei hilft ihr auf der finanziellen Seite auch die Sportstiftung Hessen: „In einem Sport, wo das Geld nicht so groß fließt, ist das unfassbar hilfreich.“ Sarah Vogel schätzt außerdem die persönliche Ansprache bei der Stiftung: „Es ist unglaublich cool, dass es so etwas gibt.“ 
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Andreas Bechmann
sportart:
Leichtathletik
verein:
Zwischen zwei Welten
Kaum ein Mitglied des Hessenteams der Sportstiftung Hessen fand in jüngster Zeit so viel öffentliche Beachtung wie der Frankfurter Andreas Bechmann, der bei der Hallen-EM in Polen mit dem 6. Platz im Siebenkampf sehr zufrieden war. „Das war echt eine hammerharte Anreise über mehr als 14 Stunden. Das hat an meinen Kräften gezehrt“, sagte der zweimalige Deutsche Hallenmeister im Siebenkampf (2019/20), der sich zuvor bei einem extra für ihn selbst im Leichtathletikzentrum in FFM-Kalbach organisierten Wettkampf mit starken 6057 Punkten für die EM qualifiziert hatte. Nach dem pandemiebedingten Ausfall der nationalen Titelkämpfe war dieses Extra-Event von seinem Verein Eintracht Frankfurt kurzfristig auf die Beine gestellt worden.Parallel zu diesen sportlichen Ereignissen hatte sich Andreas Bechmann im Rahmen seines Management-Studiums gemeinsam mit weiteren Kommilitonen eine Geschäftsidee ausgedacht und sich mit dem dazugehörigen Konzept namens „Preventio“ an der Ausschreibung zum „Sporthilfe Start-Up des Jahres“ beworben. Dieser Preis, den Bechmann und sein Team auch tatsächlich gewinnen konnten, entspringt den Förderprogrammen der Deutschen Sporthilfe zur Dualen Karriere von Spitzenathletinnen und Athleten.Die seit 2018 existierende Start-Up Academy ermöglicht mit Workshops die Entwicklung von Geschäftsmodellen bis zur Gründungsreife und eröffnet auf diese Weise einen Weg zum eigenen Unternehmen. „Bei der Erkundung eines erfolgversprechenden Geschäftsfeldes haben wir dann die Nische Leitungswasserschäden gefunden und wie man diese am besten verhindern kann. Da passiert bisher nicht viel auf diesem Sektor“, erzählt der mit 21 Jahren immer noch sehr junge Nachwuchsmann der Eintracht. Er geht davon aus, dass die Firmengründung noch 2021 aus dem Hochschulbereich heraus umgesetzt werden kann. Das künftige Angebot von „Preventio“ wird sich jedoch nicht an private Endverbraucher richten, die einem Rohrbruch proaktiv vorbeugen wollen, sondern an Rückversicherer, Wohnungsbaugesellschaften und weitere Besitzer großer Immobilien-Portfolios. Der Preisgewinn hat Andreas Bechmann riesig gefreut, aber nicht so sehr überrascht. „Wir waren gut vorbereitet und wollten gewinnen.“Vorteil JugendAuf der sportlichen Ebene wird der baldige Jungunternehmer alles daransetzen, sich entweder beim Meeting in Götzis (Österreich) Ende Mai oder drei Wochen später in Ratingen für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Bechmann: „Das zu schaffen wäre wirklich gigantisch, aber ich mache mich deshalb nicht verrückt.“ Dass er nicht unter Druck steht, hat natürlich mit seiner Jugend zu tun, die ihm für das absolute Karrierehighlight eines jeden Individualsportlers potenziell noch mehrere Chancen lassen wird. Darüber hinaus gäbe für Bechmann, der für die seit 2018 bestehende Förderung durch die Sportstiftung Hessen sehr dankbar ist, mit der U23-EM in Bergen (Norwegen) im Juli einen alternativen Saisonhöhepunkt. Er hätte dort Medaillenchancen.
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Hessischer Bobsport
sportart:
Bob- und Schlitten
verein:
Bobteam nimmt Fahrt auf
Zu erfahren, dass der Bobsport in Hessen schon seit mindestens 100 Jahren existiert, ist bereits einigermaßen erstaunlich. Doch was sich in jüngster Zeit abspielt, das grenzt an ein Wunder: Mit der Pilotin Kim Kalicki (23) wurde im März dieses Jahres eine Wiesbadenerin Vizeweltmeisterin, mit Issam Ammour hat der kleine, 1946 gegründete Hessische Bob- und Schlittensportverband (HBSV), einen Doppeljunioren-Weltmeister in seinen Reihen und mit Vanessa Mark eine Anschieberin, die beim Weltcupauftakt in Sigulda (Lettland) für eine Sensation gesorgt hat: Gemeinsam mit Olympiasiegerin Mariama Jamanka gewann sie das 1. Rennen der Saison. Und mehr noch – von aktuell 15 aktiven Hessen gehören neun dem Nationalkader an, darunter u.a. auch Christian Hammers und Malte Schwenzfeier, die sich international ebenfalls schon bewährt haben. Dass Hessen bei der letzten DM in Altenberg 2019/20 nicht nur das kleinste, sondern auch das erfolgreichste Bundesland war, ist fast schon logisch.Erfolgstandem Fischbach / RestleDiese ungemein positive Entwicklung basiert vor allem auf dem Einsatz von zwei Personen: Erica Fischbach, die langjährige Präsidentin des HBSV, und Landestrainer Tim Restle ergänzen sich und arbeiten Hand in Hand an der Fortschreibung des Erfolgsmodells. „In jeglicher Hinsicht gehen wir auf die individuellen Bedürfnisse unserer Athleten ein. Das geht hin bis zur Wohnungssuche, und manchmal bin ich auch Seelentrösterin“, sagt Fischbach, die stolz darauf ist, den Bobsport in ihrer Heimatstadt Wiesbaden so weit nach vorne gebracht zu haben: „Ich wollte zeigen, dass es doch geht, auch wenn viele Leute anfangs den Kopf geschüttelt haben.“ Doch mit einer Anschubfinanzierung von der Wiesbadener Spielbank und dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) konnte es losgehen, das Projekt nahm langsam Gestalt an. Darüber hinaus ist die Verbandspräsidentin ihren einflussreichen Unterstützern sehr dankbar, darunter Thomas Neu (Geschäftsbereichsleiter Leistungssport im lsb h/ Geschäftsführer Sportstiftung Hessen) sowie - vom OSP-Hessen - Werner Schaefer (Leiter) und Bernd Brückmann.Als Verein fiel die Wahl auf die TuS Eintracht Wiesbaden, unter deren Dach 2014 der Bob- und Athletik-Stützpunkt Wiesbaden als zusätzliche Abteilung ausgerufen wurde. Seither geht es steil bergauf, wobei Fischbach für die Athletinnen und Athleten im Sinne einer „Dualen Karriere“ stets nach Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung bzw. finanziellen Einbettung Ausschau hält. So werde versucht, die Leute etwa zur Bundeswehr zu bringen oder auch in die Sportfördergruppe der Hessischen Polizei. Die frischgebackene Weltcupsiegerin Vanessa Mark wiederum durchläuft derzeit im Hessischen Innenministerium eine Ausbildung im Verwaltungsbereich.Damit die hessischen Bobsportler zum Training künftig nicht mehr so häufig nach Oberhof oder Willingen fahren müssen, was ohne Unterstützung durch die Sportstiftung Hessen noch schwieriger umsetzbar wäre, treibt die umtriebige Verbandspräsidentin nun auch den Bau einer Anschubstrecke voran. Da befindet sie gerade auf Gelände-Sichtung und hat sowohl das Wiesbadener Sportamt wie auch den Sportausschuss und das Land auf ihrer Seite. In unmittelbarer Zukunft fällt das Hauptaugenmerk jedoch wieder auf den Sport: Bei der WM im Februar in Altenberg wollen die Hessen auch in dieser Saison Edelmetall gewinnen. Und dann kommt das Olympia-Jahr 2022. Fischbach: „Einen Athleten nach Peking zu bringen, wäre ein Ziel. Wenn alles ganz optimal läuft könnten es auch vier sein. Das wäre ein riesen Hype.“
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Skiinternat Willingen
sportart:
Skissport
verein:
Wie eine Großfamilie
Wie lange es das Skiinternat in Willingen schon gibt, weiß Werner Weigelt nicht so genau: „Gefühlt sind das ewige Zeiten, aber in der heutigen Form seit 2011“, sagt der Präsident des Hessischen Skiverbandes (HSV), der im Namen der Betreiber (HSV und Land Hessen) die Verantwortung für die stets gut besetzte Einrichtung im nordhessischen Upland trägt. Aktuell hat der ehemalige Gasthof zwölf Insassen aus den Sportarten Skispringen, Biathlon und Skilanglauf, womit die Kapazitäten für Einzelzimmer bereits erschöpft sind. Weigelt: „Das Internat ist voll, wir könnten momentan sechs Plätze mehr belegen.“ Der geplante Anbau, für den bereits Pläne vorliegen, soll in etwa drei Jahren umgesetzt sein und neben einem Kraftraum auch weitere Räumlichkeiten zum Lernen beinhalten.Insgesamt wurden schon 31 Skisportlerinnen und Skisportler durch die Einrichtung geschleust, jedenfalls wenn das bereits in den frühen 70er Jahren existierende Vorgänger-Internat mitgezählt wird. Die jungen Talente kommen vorwiegend aus dem Vogelsberg oder der Gegend um Gersfeld (Rhön), doch werden auch Jugendliche aus anderen Bundesländern aufgenommen – aktuell etwa aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Sie alle müssen vor ihrem Einzug und der einhergehenden Aufnahme an der Uplandschule in Willingen bestimmte Voraussetzungen erfüllen: So dürfen die Noten im Durchschnitt nicht schlechter sein als Drei, und auch sportlich wird auf eine vorhandene Perspektive sehr großer Wert gelegt. An dieser Stelle kommt Jochen Behle ins Spiel. Der sechsmalige Olympiateilnehmer im Skilanglauf prüft, welches Potenzial die Internats-Anwärter haben. Darüber hinaus sucht der Sportdirektor der Leistungssport gGmbH, die für die Förderung des nordischen Skinachwuchses im Hessischen und Westdeutschen Skiverband zuständig ist, für den einzigen länderübergreifenden Bundesstützpunkt die Trainer aus. Behle koordiniert außerdem die Lehrgänge, kümmert sich um die Etatpläne und hat auch an der gesamten Saisonplanung großen Anteil.Schwerpunkt Langlauf und BiathlonEs ist also ein vielschichtiges Leistungspaket, das den Internats-Insassen geboten wird, die von der Sportstiftung Hessen unterstützt werden. Die junge Biathletin Lisa Witten (17) ist eine von ihnen. Sie ist sich bewusst, dass die Förderung sehr wichtig ist: "Sonst wäre es vielleicht gar nicht möglich, alles das zu tun, was ich jetzt mache." Witten und die anderen Talente im Internat, das seinen Schwerpunkt aktuell beim Biathlon und Skilanglauf der weiblichen Jugend hat, haben untereinander einen sehr guten Zusammenhalt. Immer wieder betonen die jungen Frauen, darunter auch die Langläuferinnen Lina Niebling und Luca Anna Weikard (Foto), dass in der Gruppe teils enge Freundschaften entstanden sind, die den frühen Abschied vom Elternhaus erleichtern. „Das Leben ist so ähnlich wie in einer Großfamilie“, bestätigt auch Werner Weigelt, der ausdrücklich betont, dass für die Jugendlichen bestens gesorgt wird. Im Internat gibt es eine mehrköpfige pädagogische Betreuung, hinzu kommen Lehrertrainer und Landestrainer. Weigelt: „Und wenn es schon mal Probleme gab – bisher haben wir immer alle Jugendlichen auffangen können.“
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Melat Yisak Kejeta
sportart:
Leichtathletik
verein:
Erstaunen über die eigene Leistung
Wenige Tage nach ihrem Silber-Erfolg bei der Halbmarathon-WM in Gdynia (Polen) war Melat Kejeta gar nicht gut drauf: „Bei dem Wettkampf war es kalt und da war so viel Wind. Davon bin ich erkältet.“ Wegen dem Wetter war die 28-jährige gebürtige Äthiopierin über ihre Leistung besonders verwundert: „Ich habe nicht erwartet, dass ich da so schnell bin. Eigentlich sollte das ein taktisches Rennen werden“, sagte die Vizeweltmeisterin, die in 1:05,18 Std. gleich bei ihrem ersten Rennen im DLV-Trikot einen deutschen Rekord aufgestellt hat (die alte Bestmarke von Uta Pippig hatte 25 Jahre Bestand). Für reine Frauenrennen bedeutet diese Leistung zusätzlich neuen Europarekord.Kejeta (Laufteam Kassel), die 2013 aus Äthiopien kam und seit 2019 deutsche Staatsbürgerin ist, lebt in Baunatal und dort direkt am Waldrand. Das gefällt ihr sehr gut, doch sie verbringt auch gerne Zeit in Afrika. Für einige Jahre war ihr die Einreise in ihr Heimatland verwehrt, doch seit sie Deutsche ist, darf sie ihre Familie wieder besuchen. Warum sie weggegangen ist, mag sie nicht erzählen, nur dass sie als Langstreckenläuferin damals schon recht erfolgreich war. Vor allem im Halbmarathon hatte sie international bereits einige gute Ergebnisse erzielt. Von Beruf ist sie Friseurin, doch ihre Qualifikation wurde in Deutschland nicht anerkannt. Der Versuch, die Ausbildung nachzuholen, scheiterte am Laufen. Der Sport und eine Lehre hätten sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Kejeta, die von der Sportstiftung Hessen vorübergehend Sozialbeihilfe erhalten hat, konzentriert sich nun komplett auf ihre Karriere. Und das macht durchaus auch Sinn, denn sie ist für die Spiele in Tokio bereits so gut wie qualifiziert. Beim Berlin-Marathon 2019, der gleichsam ihr Debüt über diese Distanz war, wurde sie in 2:23,57 Std. auf Anhieb Sechste und unterbot die Qualifikationsnorm für Olympia (2:29,30 Std.) deutlich.Ein hohes Ziel und viele Unklarheiten Dass sie in Bälde den deutschen Rekord von Irina Mikitenko (2:19,19 Std.) brechen kann, ist dann eine Frage, über die sie doch lachen muss. Nein, nein, ganz so schnell gehe das nicht. Und bei den Spielen in Tokio, da möchte sie einfach ihr Bestes geben, wobei die Top-Ten Ziel. Wie es aktuell weitergeht, das weiß sie noch nicht, denn einen genauen Plan hinsichtlich Training und Wettkampf-Gestaltung gibt es nicht. Eigentlich möchte sie am Nikolaustag beim Valencia-Marathon mitlaufen, der wegen Corona als ein reines Eliterennen ausgetragen werden soll. Und sie möchte in Afrika für 2 bis drei Monate überwintern. Dazu gehört dann natürlich nicht nur ein Familienbesuch, sondern auch ein Trainingslager in Äthiopien. Melat Kejeta, die in ihrer Freizeit gerne tanzt, wird sich - allen Widrigkeiten zum Trotz – ganz sicher nicht ausbremsen lassen.
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Oliver Koletzko
sportart:
Leichtathletik
verein:
Stärke durch Konstanz
Ob im Sport oder in anderen Lebensbereichen – es sind nicht unbedingt viele Menschen, die von sich behaupten können, im Krisenjahr 2020 überdurchschnittlich erfolgreich gewesen zu sein. Oliver Koletzko (17) ist einer, der zu dieser Minderheit mit dazugehört, denn der junge Weitspringer aus Schmitten im Taunus hat aus nur ganz wenigen Wettkämpfen das Optimum herausgeholt. Angefangen hatte es bei der Deutschen Hallenmeisterschaft, wo er mit einer Weite von 7,53m als 16-Jähriger den Titel in der Altersklasse U20 gewann. Gleich zum Auftakt der verkürzten Freiluftsaison sorgte er dann bei einem Meeting auf der heimischen Anlage in Wiesbaden für eine weitere Spitzenleistung: Mit 7,72m stellte er einen neuen U18-Hessenrekord auf und blieb damit nur knapp hinter der über 20 Jahre alten nationalen Bestmarke (7,77m) zurück. Und auch bei allen folgenden Wettkämpfen präsentierte sich der Nachwuchsmann vom Wiesbadener LV als seinen Altersgenossen meist hoch überlegen. Seiner Favoritenrolle wurde er dementsprechend auch bei der Deutschen Jugendmeisterschaft im September in Heilbronn vollauf gerecht: Mit 7,47m holte er überlegen den Titel. Trotzdem zeigte sich Oliver Koletzko von der Wahl zum Hessischen Newcomer des Jahres extrem überrascht: „Es war ja schon verwunderlich, dass ich überhaupt nominiert wurde. Als ich dann das Ergebnis erfahren habe, war das schon ne coole Sache, habe mich mega mega gefreut.“ Und sein Erfolgsrezept? Er erwähnt in diesem Zusammenhang das sehr gut abgestimmte Training mit seinem Coach Peter Roughi. Außerdem sei es während des Lockdowns auch wichtig gewesen, umzudenken und Alternativen zu den herkömmlichen Abläufen zu finden. Nicht zu vergessen das Durchhaltevermögen: „Manche Leute haben das Training dann nicht mehr so konsequent beibehalten“, sagt Koletzko, in dessen Freundeskreis sich vorwiegend andere Leistungssportler befinden. Untereinander habe man sich im Sommer aber auch gefreut, entspannt zusammenzusitzen und sich gegenseitig zu motivierten, trotz der Pandemie immer weiterzumachen. Nahe am großen Sportkosmos Oliver Koletzko, der die 11. Klasse der Adolf-Reichwein-Schule in Neu-Anspach besucht, fühlt sich im Hochtaunus wohl. „Das ist eine sehr ruhige und waldreiche Destination. Ich mag das Landleben“, betont der Basketballfan, der für die Förderung durch die Sportstiftung Hessen sehr dankbar ist. Zum Training in Frankfurt-Kalbach oder in Wiesbaden wird er derzeit noch von seinen Eltern kutschiert, doch bald schon wird er den Führerschein haben, Anfang diesen Jahres soll es schon soweit sein. Auch sportlich hat das Mitglied des Perspektivteams der Sportstiftung Hessen große Pläne. Wenn alles normal läuft, möchte er bei der DM wieder erfolgreich sein und darüber hinaus endlich auch international an den Start gehen. Die U20-WM und U20-EM sind seine Ziele. Freizeit bleibt bei diesem Programm natürlich nicht viel. Doch Oliver Koletzko zeichnet gern zur Entspannung und ist ansonsten auf Instagram sehr aktiv: „Das ist eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und mit dem großen Sportkosmos verbunden zu sein.“
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Ramona Graeff
sportart:
Boxen
verein:
Mit gesundem Selbstbewusstsein
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – an diesem Sprichwort ist wirklich was dran. Auch auf Ramona Graeff trifft es zu, die als erste deutsche Boxerin an Olympischen Spielen teilnehmen möchte. Die Mathematikstudentin und Sportsoldatin (22) stammt aus einer echten Kampfsportfamilie, denn beide Elternteile betreiben hobbymäßig Kung Fu, auch ihre Brüder waren schon als Kinder aktiv. Sie selbst hat im zarten Alter von drei Jahren angefangen und ist später aufs Kickboxen umgestiegen. Zum Boxen ist die amtierende Deutsche Meisterin in der Klasse bis 57 kg nur deshalb gekommen, weil sie ihre Armtechnik verbessern wollte: „Dann bin ich da hängengeblieben.“ Schnell wurde ihr auch bewusst, dass Boxen seit 2012 in London für Frauen olympisch ist und nicht nur deshalb seriöser: „Beim Kickboxen gibt es zig Verbände, ein Deutscher Meistertitel ist nicht unbedingt so viel wert.“Schwierige VermarktungRamona Graeff, die in Düsseldorf lebt und für die TG 75 Darmstadt startet, möchte im Dezember bei der EM in Italien starten und den Titel holen. Das erste Qualifikationsturnier hat die Dritte der Studenten-WM 2018 mit drei Siegen optimal abgeschlossen, Ende Oktober folgt in Rostock noch ein weiterer Prüfstein, und dazwischen steht ein internationales Turnier in Schwerin auf dem Programm. Trotz der Pandemie ist im Boxsport also ganz schön viel los, wobei Graeff noch bezweifelt, dass die Spiele in Tokio nächstes Jahr stattfinden werden: „Momentan kann ich mir nicht vorstellen, wie das umgesetzt werden soll.“ Auf dem Weg zu welchem sportlichen Höhepunkt auch immer, fühlt sie sich von der Sportstiftung Hessen sehr gut unterstützt. „Das war mein erster finanzieller Förderer. Auch bei Verletzungen konnte ich mich immer verlassen.“ Im Frauenboxen sei das umso wichtiger, weil es sich um eine immer noch mit Vorurteilen behaftete Randsportart handele. Sponsoren aus der freien Wirtschaft seien dementsprechend schwer zu bekommen; sie selbst habe sich in puncto Vermarktung aber auch noch nicht größer schlau gemacht. Wann sie dafür die Zeit finden wird, das steht in den Sternen. Momentan schafft sie es jedenfalls kaum, sich neben dem Hochleistungssport noch um ihre Bachelorarbeit zu kümmern, die einen Aspekt der Spieltheorie behandelt: „Immer wenn ich da bisher dran war, bin ich wieder rausgerissen worden“, so Graeff, die – nachdem sie zwei Schulkassen überspringen durfte – als 16-Jährige schon Studentin war.Doch noch einmal zurück zum Frauenboxen an sich, das hierzulande ein Schattendasein führt. „Deutschland ist wirklich ganz weit unten. Die internationalen Konkurrentinnen freuen sich immer, gegen eine Deutsche zu boxen“, erzählt Graeff, die das gerne ändern möchte und die dank ihrem Talent, ihrer Zielstrebigkeit plus ausgeprägtem Selbstbewusstsein auch das Zeug dazu hat. Die Hundebesitzerin (Boxerhündin Luna ist 2) würde sich auch wünschen, dass es mit den typischen Vorurteilen bald einmal aufhört: „Hast du denn keine Angst um dein Gesicht“ oder „Du bist viel zu hübsch für eine Boxerin“ - Sprüche wie diese bekommt sie immer mal wieder zu hören. Graeff pflegt dann zu entgegnen: „Ein guter Boxer ist ein schöner Boxer.“ Das könnte ein Zitat von Muhammad Ali sein.
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Henri Junghänel
sportart:
Schießen
verein:
Vom Sonderfall Olympiasieg
Es war der 12. August 2016 – ein Datum, das Henri Junghänel zeitlebens nicht vergessen wird, denn an diesem Tag wurde er in Rio de Janeiro Olympiasieger im Kleinkaliber-Liegendschießen. Mit dem letzten Schuss brach ein „riesen Medienrummel“ über den zurückhaltenden Erfolgsmenschen herein, der im „Aktuellen Sportstudio“ dann eine einjährige Pause vom Hochleistungssport ankündigte. In Wirklichkeit war es das Ende seiner sportlichen Laufbahn. Zwar trat der inzwischen 32 Jahre alte Maschinenbau-Ingenieur im November 2017 beim Weltcup-Finale in Neu-Dehli noch einmal an und gewann prompt die Silbermedaille, doch stellte er bei dieser Gelegenheit nur noch einmal fest, dass „mein persönliches Ziel ganz einfach erreicht war.“ Die Entscheidung fiel dem langjährigen Mitglied des Hessenteams der Sportstiftung Hessen auch deshalb sehr leicht, weil seine Disziplin aus dem olympischen Programm genommen wurde.Henri Junghänel, der aus dem Odenwald stammt und für den dort ansässigen Schützenverein SV Rai Breitenbach an den Start ging, hätte inzwischen auch gar keine Zeit mehr, sich dem Sport in der Intensität wie früher zu widmen. Denn nach einer Südamerika-Reise, die ihn gemeinsam mit seiner Frau (damals Freundin) noch im Jahr seines Olympiasieges durch Argentinien und Chile bis nach Panama führte, hat er im Februar 2017 beim Autobauer Porsche als Prozessingenieur im Karosseriebau begonnen: Zuständig ist er für den 911, der Ikone der Stuttgarter. „Ich empfinde das als ein wahnsinnig schönes Fahrzeug“, schwärmt Junghänel, bei dem eine Faszination für Sportwagen schon vorhanden war, seit er als Kind mit Matchbox-Autos gespielt hat. Dass die „Mobilität der Zukunft“ in Zeiten des Klimawandels nach alternativen Antriebskonzepten verlangt, ist Junghänel, der selbst „noch“ keinen Porsche fährt, aber durchaus bewusst.Niederlagen verkraften lernenDen Traumjob in Stuttgart-Zuffenhausen hat der Weltschütze des Jahres 2013 wohl ein bisschen auch seinem maximalen sportlichen Erfolg zu verdanken. „Ich bin davon überzeugt, dass das bei der Bewerbung hilfreich war“, so Junghänel, der aber sicher ist, dass auch weniger steil verlaufende Karrieren denselben Effekt haben können; der Sonderfall Olympiasieg sei ja nun eher selten! Doch ob im Sport oder anderswo - Jüngeren möchte er vermitteln, dass man sich von Niederlagen nicht abschrecken lassen sollte. Bei seiner persönlichen dualen Karriereplanung (seinen Master hat Junghänel ebenfalls 2016 gemacht) habe die Sportstiftung Hessen einen wichtigen Beitrag geleistet: „Es hilft unendlich, wenn man keine finanziellen Sorgen hat.“ Im Jahr seines Olympiasieges hat er also gleichzeitig auch seinen Universitätsabschluss erlangt, was überrascht, weil alleine die Vorbereitung auf die Spiele in Rio sehr zeitintensiv war. Doch Henri Junghänel hat das Studium in gewisser Weise als eine Ablenkung vom Schießsport betrachtet: „Somit konnte ich schlechte sportliche Phasen besser ausgleichen.“Seit der Hochleistungssport wegfällt geht der junge Familienvater in Ludwigsburg, wo er mit Frau und Kind direkt am Waldrand wohnt, regelmäßig zum Joggen. Er hat sich gut eingelebt: „Wir sind sehr glücklich hier.“
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Shugaa Nashwan
sportart:
Para-Judo
verein:
„Little Olympia“ im Jemen
Shugaa Nashwan war ein kleiner Junge von fünf Jahren, als er mit Teilen seiner Familie aus dem Jemen nach Deutschland kam. Sein Vater fand in Wiesbaden eine neue berufliche Herausforderung, und für Shugga, der an einer Augenkrankheit leidet, waren die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten hierzulande viel besser. In diesem August ist der 23 Jahre alte Psychologie-Student anstatt zu den Paralympics nach Tokio in eigener Mission in sein Geburtsland gereist: In dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land, das jüngst von einer Überschwemmungskatastrophe heimgesucht wurde und in dem sich Corona und Cholera rasant ausbreiten, beabsichtigt das Mitglied des Hessenteams der Sportstiftung Hessen den Anstoß zum Bau eines Sportzentrums zu geben. Ein bisschen Frieden und Freude möchte der EM-Bronzemedaillen-Gewinner (2019/17) an die Menschen zurückgeben. Zwischen Freude, Trauer und BefremdungEin Show-Kampf mit dem jemenitischen Judoka Ali Khousrof, der bereits an Olympischen Spielen teilnehmen konnte und ebenfalls für Tokio qualifiziert ist, soll der Höhepunkt eines Sportfestes sein, dass Nashwan und sein Team unter dem Motto „Little Olympia“ dieser Tage vor Ort aus der Taufe heben. AnkerMit der Veranstaltung, die voraussichtlich in einem großen Zelt stattfinden wird, soll für das langfristige Hilfsprojekt ein Grundstein gelegt werden. „Da die Olympischen Spiele in diesem Jahr ausfallen, tragen wir sie als ‚Little Olympia‘ im Jemen aus. Wir möchten dem Land, das so von Krankheit und Krieg geplagt ist, eine Friedensbotschaft senden“, sagte Shugaa Nashwan vor seiner Abreise. Einige Tage später berichtete er der Sportstiftung Hessen via einer Instagram-Nachricht, dass bereits private Unterstützer gefunden wurden, die dem Vorhaben ein finanzielles Fundament geben möchten. Doch Nashwan, der in der Judo-Bundesliga künftig für den JC Rüsselsheim starten wird, hat gleichwohl sehr „gemischte Gefühle“: Auf der einen Seite seien da eine Vertrautheit, das Glück, die Verwandtschaft in der Hauptstadt Sanaa wiederzusehen. Doch das Land seiner Vorfahren, in dem während des „Arabischen Frühlings“ 2011 eine spürbare Aufbruchsstimmung geherrscht habe, sei ihm auch fremd geworden. „Ich bin traurig, so viel Leid hier zu sehen. Außerdem muss man bei allem, was man sagt, aufpassen, dass keine ‚falschen‘ Namen genannt werden oder die ‚falsche‘ Musik gespielt wird. Überall läuft die Musik der Rebellen, und jeder hier hat ein Gewehr auf dem Schoß. Es ist wie ein schlummernder Krieg“, schreibt Nashwan, der sich persönlich auch sehr intensiv mit philosophischen und gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzt. Sehr gerne möchte er auch, dass wenigstens „kleine Mädchen“ am Sportfest teilnehmen dürfen und anschließend in das Projekt eingebunden werden. Doch es ist eine Absichtserklärung, ein Versuch in einem Land, in dem Geschlechtergerechtigkeit praktisch nicht existiert. Nashwan: „Frauen einzubinden, das ist im Jemen sehr schwer.“ Schon bald, wenn er und sein Team von ihrer nicht ganz ungefährlichen Reise hoffentlich unbeschadet zurückgekehrt sein werden, werden wir mehr wissen und auf der Homepage über den Stand der Dinge berichten. 
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Maryse Luzolo
sportart:
Leichtathletik
verein:
Aufgeben war nie eine Option
Mit unserer Hessischen Erfolgsgeschichte ist es diesmal ein klein wenig verzögert gelaufen. Maryse Luzolo, die planmäßig im Trainingslager in Südafrika war, konnte ihren Fragebogen nicht ganz pünktlich ausfüllen, weil die Corona-Krise einen überstürzten Rückflug der Trainingsgruppe erforderlich machte. „Wir haben in einer kleinen Blase gelebt. Man hat immer wieder was von dem Virus gehört, aber das war so weit weg von uns“, schreibt die 25-jährige Weitspringerin vom LV Königstein, die bei der Hallen-DM in Leipzig Silber gewonnen hat (6,44m). Dieser Wettkampf, der ihr nach einer brutalen Verletzung wieder Selbstvertrauen gegeben hat, wirkt fast wie aus einer anderen Zeit, obwohl er Ende Februar stattfand, was nicht lange her ist. Damals war zwar die Hallen-WM in Nanjing (China) wegen Corona bereits abgesagt, doch ahnte niemand, dass es uns Europäern bald ähnlich ergehen würde wie den Leuten in Wuhan oder kurz darauf auch in Korea. Jeder kleine Fortschritt ist ein ErfolgNicht nur Maryse Luzolo, deren Bestweite bei 6,61m liegt, stellt sich nun die Frage, wie es im Olympiajahr weitergeht, ob eine Freiluftsaison überhaupt stattfinden wird? Die Biologiestudentin glaubt nicht daran, aber allzu schwarzseherisch will sie auch wieder nicht sein. Mit einer derartigen Einstellung hätte sie es sicherlich auch nicht mehr zurück in den Hochleistungssport geschafft. Denn was ihr wiederfahren ist, das hat mit gängigen schweren Knieverletzungen nichts mehr zu tun: Im Sommer 2017 wurde ihr linkes Sprungbein in einem defekten medizintechnischen Trainingsgerät zur Feststellung des muskulären Funktionsstatus maschinell so extrem überstreckt, dass u.a. sämtliche Bänder einrissen und die Kapsel gesprengt wurde. Mit einer schier unglaublichen Geduld und einem Willen, der selbst unter Spitzenathleten nicht selbstverständlich ist, hat sie sich zurückgekämpft. „Aufgeben war keine Option für mich“, so Luzolo, die alles daransetzen wird, sich für Tokio zu qualifizieren, egal wann das Großevent stattfinden wird. „Ich habe nur eine kleine Chance, aber Olympia ist und bleibt mein Traum.“ Mit ihrem positiven Gemüt kann sie die Gedanken an die Verletzung einigermaßen einhegen, ja sie springt sogar weiterhin mit dem betroffenen linken Fuß ab und das ohne eine psychische Hemmung. Im Alltag kommt es allerdings schon häufig vor, dass sie noch daran denkt, zumal auch immer wieder neue Fragen in diesem Zusammenhang auftauchen. Doch sie fühlt sich gut unterstützt - durch ihren Verein, den sie wie eine Familie empfindet und auch durch ihren Freund, David Corell, der als Hessischer Landestrainer für den Kurzsprint zuständig ist. Was momentan ein wenig zu kurz kommt, das ist ihr Studium: Es ist für mich oft schwierig, den Sport und die UNI auszubalancieren. Aber durch die Sportstiftung Hessen bekomme ich eine super Unterstützung. Und ich stehe mit diesem Problem ja auch nicht allein.“ Wie es aktuell weitergeht, wann beispielsweise der erste Wettkampf stattfindet, das weiß Luzolo, die in ihrer Freizeit gerne kocht und singt, natürlich genauso wenig wie alle anderen Athletinnen und Athleten. Im Umgang mit Verletzungen möchte sie aufgrund ihrer Erfahrungen aber alle Betroffenen folgendes wissen lassen: „Das Kämpfen lohnt sich, egal wie aussichtslos es aussieht. Und jeder noch so kleine Fortschritt ist ein Erfolg.
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